Konstruktiver Umgang mit einer Krise
Eine akute Krise stellt uns vor grosse Herausforderungen. Wir fühlen uns hilflos und sehen keinen Ausweg. Unser seelisches und manchmal auch physisches Gleichgewicht geht verloren. Gut zu wissen: die meisten Krisen haben einen fast gleichen Ablauf: Schock, Reaktion, Bearbeitung und Neuorientierung. Es braucht also das Tal der Tränen, bevor es wieder aufwärts geht. Wie schnell dieser Prozess geht, können wir oft selbst beeinflussen.
Das Wort „Krise“ stammt aus dem Griechischen. Ursprünglich hatte es dort die Bedeutung „Beurteilung“ oder „Entscheidung“ – war also neutral. Erst später bekam es die Zusatz-Bedeutung „Zuspitzung“. Eine Krise ist also der Höhepunkt einer negativen Entwicklung Wir befinden uns also in einer Extremsituation, mit der wir in diesem Moment nicht umgehen können.
Krisen können vielfältige externe Auslöser haben: Krankheiten, Todesfälle, Trennungen, Entlassungen oder andere starke berufliche Veränderungen. Es können aber auch Sinn- und Lebenskrisen sein, die uns verzweifeln lassen. Was passiert, wenn wir eine akute Krise erleben:
- Psychische Ebene: Wir empfinden starke Angst, fühlen uns hilflos und sehen keinen Ausweg. Wir sind angespannt, und unsere Gedanken drehen sich im Kreis, sind nur auf das Problem fokussiert (Tunnelblick) und sind häufig irrational. Wir leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten und sind schnell irritiert.
- Körperliche Ebene: Der Schlaf bereitet uns Probleme. Wir haben vielleicht Herzrasen, Magen-/Darmbeschwerden oder Kopfschmerzen. Entweder haben wir keinen Appetit oder leiden unter Essattacken.
- Soziale Ebene: Wir ziehen uns zurück.
Wir funktionieren in einer Krise also nicht mehr wie zuvor. Die Bewältigungsstrategien, die wir uns vorher erarbeitet hatten, empfinden wir als nutzlos.
Die vier Phasen einer Krise
Wichtig zu wissen: alle Krisen gehen vorbei, auch wenn man dies im akuten Stadium gar nicht glauben mag. Keine Krise ist wie die andere, aber fast alle laufen nach dem gleichen Muster ab:
- Schock: Wir sind gelähmt und verleugnen zum Teil auch die Realität, also wollen das vorgefallene Ereignis gar nicht wahrhaben.
- Reaktion: Langsam wird uns bewusst, dass das Ereignis eine Tatsache ist. Dann entstehen in uns starke negative Gefühle (z.B. Angst, Wut, Aggression). Manche Menschen gehen sogar in den Widerstand gegen die Tatsache – obwohl dies ja eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Aber klar denken kann man in dieser Phase nicht.
- Bearbeitung: Wir können das Vorgefallene akzeptieren und beginnen, nach Lösungen zu suchen.
- Neuorientierung: Wir kriegen wieder Schwung, indem wir uns neu ausrichten (in uns selbst und gegen aussen). Wir kommen also ins Handeln.
Gefahr und Gelegenheit
Das geschriebene chinesische Wort für Krise besteht aus zwei Schriftzeichen: Gefahr und Gelegenheit. Zu Beginn sieht man ausschliesslich die Gefahr, das Negative. Aber mit der Zeit kann man idealerweise auch erkennen, dass das Vorgefallene eine positive Entwicklung bei einem auslösen kann – nur realisiert man dies leider meist erst nach der Bewältigung.
Ich hatte einmal eine Coaching-Kundin, die hatte ihren Job aufgrund von Mobbying verloren. Sie war sehr wütend auf ihren Ex-Chef, musste aber mit der Zeit erkennen, dass ihre Wut ihr gar nichts brachte – sie konnte ja ihre Entlassung nicht mehr rückgängig machen. Ihre Wut zog ihr nur Energie ab, die sie besser für ihre Neuorientierung brauchen konnte.
Als sie die Tatsache der Entlassung akzeptieren konnte und zudem erkannte, dass die Situation auch etwas Positives an sich hatte (sie musste ihren Chef, mit dem sie sich gar nicht verstand, nicht mehr sehen…), konnte sie wieder nach vorne schauen, wurde aktiv und fand nach kurzer Zeit einen tollen Job, der sogar besser war als derjenige vorher.
Unsere Gedanken haben einen Einfluss
Diese wahre Geschichte zeigt, dass wir mit unseren Gedanken zwar die Tatsache, die unsere Krise ausgelöst hat, nicht verändern können, aber die Art und Weise, wie wir sie bewältigen (Intensität, Dauer, Ergebnis). Unsere Gedanken schaffen unsere Realität. Dies ist wichtig für die Tipps, die ich Ihnen geben möchte:
- Gehen Sie nicht gegen das vorgefallene Ereignis in Widerstand. Sonst kämpfen Sie gegen Windmühlen – also aussichtslos. Versuchen Sie, die Situation zu akzeptieren und Ihre Energie in die Bewältigung der Krise zu investieren. Übernehmen Sie Verantwortung für sich und versuchen Sie, das Beste aus der Situation zu machen. Schon die amerikanische Sängerin Joan Baez sagte: „Handeln ist das Gegenmittel zur Verzweiflung.“
- Ihre starken Gefühle zu verdrängen, bringt nichts. Sie suchen sich dann einfach auf einem anderen Weg und vielleicht auch später einen Weg an die Oberfläche. Nehmen Sie sie ernst, aber verlieren Sie sich nicht darin. Wie Sie mit Ängsten umgehen können, finden Sie hier: https://stressandbalance.ch/2020/12/01/wie-ueberwinde-ich-meine-corona-angst/.
- Versuchen Sie, Ihre Grübelzeit zu beschränken (z.B. mit einem Wecker auf 15 Min.). Dann wenden Sie sich bewusst wieder dem Hier und Jetzt zu. Mehr zum Thema „im Moment sein“: https://stressandbalance.ch/2019/12/03/im-moment-sein/.
- Auch wenn Ihre aktuelle Situation ganz schlimm ist, gibt es sicher immer noch positive Dinge in Ihrem Leben. Achten Sie sich bewusst darauf und beeinflussen Sie damit Ihre Gedanken. Hier mehr dazu: https://stressandbalance.ch/2017/02/28/meine-visualisierte-dankbarkeit/.
- Bewegen Sie sich. Denn das Haupt-Stresshormon Cortisol wird am besten durch Bewegung abgebaut. Bewegung tut Körper und Geist gut.
- Machen Sie bewusst Dinge, die Ihnen gut tun: Musik hören, tanzen, lesen, die Natur beobachten, in die Massage gehen usw.
- Ihre Haltung sagt aus, wie Sie sich fühlen. Sie können aber auch mit einer aufrechten Haltung Ihre Gefühle beeinflussen. Wie dies geht, erkläre ich Ihnen hier: https://stressandbalance.ch/2017/11/14/haltung-beeinflusst-emotionen/.
- Reden Sie mit anderen Menschen über das, was Sie bewegt: mit Ihrer Familie oder Ihren Freunden. Wenn dies nicht genügend hilft, suchen Sie sich professionelle Unterstützung.
Sie haben also sehr unterschiedliche Ebenen, auf denen Sie ansetzen können, um Ihre Krise bewältigen zu können. Entscheidend ist: seien Sie sich bewusst, dass Sie einen konkreten Einfluss darauf haben, wie schnell und wie gut Sie Ihre Krise bewältigen können. Handeln Sie!
© Claudia Kraaz