Entscheiden leicht gemacht
Dauernd treffen wir Entscheide – gemäss Experten sind es 20‘000 bis 100‘000 täglich. Die meisten Entschlüsse fällen wir blitzschnell: soll ich die blaue oder die schwarze Hose anziehen? Gehen wir heute Abend in den Italiener oder den Chinesen? Schwer tun wir uns aber damit, wenn wir Entscheidungen treffen müssen, die einen grossen und nachhaltigen Einfluss auf unser künftiges Leben haben. Eines ist klar: die schlechteste Entscheidung ist, sich nicht zu entscheiden.
Noch nie konnten wir so viel entscheiden wie heute – und dies mit einer riesigen Auswahl in fast allen Lebensbereichen: von der Berufswahl über den Wohnort bis zur Partnerwahl. Die Liste an Optionen ist potenziell unbegrenzt. Oder kennen Sie alle Berufe, die es auf der Welt gibt? Fakt ist: je grösser die Auswahl, desto schwerer tun wir uns mit der Entscheidung. Psychologen nennen dies die „Tyrannei der Wahl“.
Und häufig fällen wir Entscheide, ohne uns bewusst zu werden, was genau die Gründe für unseren Entschluss sind. Denn es gibt viele Einflussfaktoren: (un)bewusste Beeinflussung durch unser Umfeld, unsere Erwartungen an uns selber, Hormone (z.B. macht Testosteron risikofreudiger), Verkäufertricks, die Macht der Gewohnheit – verbunden mit der Angst vor einer Veränderung – usw.
Lieber das bekannte Unglück
Bei Entscheiden hemmt uns häufig die Verlustangst. Denn wenn ich mich FÜR etwas entscheide, bedeutet dies ja auch gleichzeitig, dass ich mich GEGEN etwas anderes entscheide. Und wenn ich etwas Gewohntes loslassen muss, fällt mir dies umso schwerer – und zwar aus zwei Gründen: 1) Wenn mir etwas vertraut ist, schüttet mein Gehirn das Glückshormon Dopamin aus. Dies gibt mir ein gutes Gefühl. 2) Das Gewohnte bedeutet: ich weiss, was ich habe. Bei einer neuen Option ist der Ausgang offen. Da entscheiden sich viele Menschen für das Bestehende – nach dem Motto: „lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück“. Doch macht dies wirklich immer Sinn? Sie kennen die Antwort: manchmal vielleicht ja, aber tendenziell eher nein!
Ganz viele Leute wenden bei wichtigen Entscheidungen eine nicht erfolgreiche Strategie an: sie schieben die Entscheidung vor sich her, und manchmal fassen sie sogar keinen Entschluss. Sie haben Angst vor den Konsequenzen und scheuen sich davor, Verantwortung zu übernehmen. Am liebsten wären sie zu 100% sicher, dass ihr Entscheid der richtige ist. Aber leider können wir – wie erwähnt – nicht in die Zukunft schauen und kennen also die Folgen unseres Entschlusses zum Zeitpunkt, an dem wir ihn fassen, nicht. Dies führt dann dazu, dass wir gar nicht entscheiden. Aber sich nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung! Sie führt nämlich dazu, dass alles beim Alten bleibt, was nicht immer schlecht sein muss, aber doch auch häufig die Fortsetzung des bekannten Unglücks sein kann.
Kopf und Bauch einbeziehen
Von meinem ehemaligen Chef Oswald Grübel, Ex-CEO von Credit Suisse und UBS, habe ich gelernt: Lieber entscheiden und einen Fehler machen, den man dann korrigieren kann, als gar nicht entscheiden. Deshalb lade ich Sie ein, Mut zu zeigen und zu entscheiden. Folgende Tipps könnten Ihnen dabei helfen:
- Beziehen Sie sowohl Ihren Kopf als auch Ihren Bauch bei Entscheiden mit ein. Rationale Überlegungen helfen Ihnen, über die Vor- und Nachteile der einzelnen Optionen nachzudenken. Wenn Sie dies gemacht haben, ist es aber wichtig, tief in sich hineinzuhorchen, ob die getroffene Entscheidung mit Ihren Gefühlen und Wünschen übereinstimmt.
- Setzen Sie sich dafür fundiert mit Ihren persönlichen Bedürfnissen und Werten auseinander. Was ist Ihnen wirklich wichtig im Leben, was weniger? Lassen Sie sich beim Entscheid nicht von den Erwartungen anderer beeinflussen.
- Entscheiden Sie selber. Delegieren Sie also nicht die Verantwortung an andere. Denn Sie selber müssen die Konsequenzen des Entschlusses tragen.
- Denken Sie nicht darüber nach, was andere von Ihrem Entscheid halten. Für Sie muss es stimmen. Die Zeit, die andere damit verbringen, Sie einzuschätzen und zu bewerten, wird überschätzt. Die meisten Menschen sind vor allem mit sich selbst beschäftigt.
- Die klassische Methode der Entscheidungsfindung ist die Pro- und Kontra-Liste, bei der sie für alle Optionen die Vor- und Nachteile auflisten. Meiner Ansicht nach darf dann aber nicht die rationale Gesamtsumme dieser Vor- und Nachteile alleine den Ausschlag geben. Gewichten Sie auch die emotionale Bedeutung der einzelnen Faktoren.
- Reflektieren Sie darüber, was die Best- und Worst-Case-Szenarien der einzelnen Möglichkeiten sind.
- Entscheiden Sie nicht unter Stress oder hohem Druck. Denn dann übernehmen Ihre Ängste das Kommando – keine gute Grundlage für einen wohlüberlegten Schritt.
- Setzen Sie sich einen Zeitpunkt, bis wann Sie entschieden haben. Je länger man über verschiedene Optionen nachdenkt, desto mehr Kriterien sowie Vor- und Nachteile fallen einem ein. Dies kann verwirrend sein.
- Suzy Welch, die Frau des Ex-General-Electric-Bosses Jack Welch, hat das sogenannte 10-10-10-Modell entwickelt, das auf folgenden drei Fragen basiert: 1) Was denken Sie über Ihre Entscheidung in 10 Minuten? 2) Was denken Sie darüber in 10 Monaten? 3) Was denken Sie darüber in 10 Jahren?
- Haben Sie keine Angst vor Neuem. Sich aus der Komfortzone zu begeben, bedeutet, neue Seiten an sich zu entdecken und sich zu entwickeln.
- Wenn Sie Mühe haben, sich für eine Option zu entscheiden, denken Sie darüber nach, wie viele falsche Entscheide Sie in Ihrem bisherigen Leben getroffen haben. Wahrscheinlich sehr wenige. Eigentlich gibt es gar keine falschen Entscheide. Denn Sie lösen immer eine Entwicklung bei Ihnen aus und bringen Sie weiter. Und später kann man sich oft auch wieder umentscheiden – z.B. wenn sich die Ausgangslage geändert hat oder Sie zusätzliche Informationen erhalten haben. Entscheidend dabei ist, diese Änderung vorzunehmen, sobald Sie den Bedarf erkannt haben – nach dem Motto: „fail fast“.
- Trainieren Sie diese Ratschläge zuerst mit eher unwichtigen Entscheidungen. Wenn Sie bei diesen kleinen Schritten merken, dass es funktioniert, geben Ihnen diese Erfolgserlebnisse Mut, auch grössere Themen anzugehen.
- Wenn Sie einen Beschluss getroffen haben, stellen Sie ihn anschliessend nicht dauernd in Frage oder bereuen ihn sogar. Dies ist Zeitverschwendung, weil Sie ihn in den wenigsten Fällen rückgängig machen können. Investieren Sie Ihre Zeit und Energie lieber darin, zu überlegen, wie Sie Ihren Entscheid möglichst erfolgreich umsetzen können.
- Reflektieren Sie nach Ihrem Entschluss in regelmässigen Abständen, wie weit er schon umgesetzt ist, welche Hoffnungen sich schon erfüllt haben und welche nicht. Und machen Sie einen Plan, wie Sie die Umsetzung weiter erfolgreich vorantreiben können.
Zum Abschluss als Fazit eines meiner geliebten Zitate – dieses Mal von der legendären amerikanischen Sängerin Joan Baez: „Du kannst nicht wählen, wie du stirbst und wann. Aber du kannst bestimmen, wie du lebst. Jetzt!“
© Claudia Kraaz