Die Rebellin in mir

Wochenend-Workshop für starke Frauen – oder solche, die es werden wollen

„NICHTS IST MÄCHTIGER ALS DIE GEWOHNHEIT“

21. August 2018 / Allgemein
Resilienz

Dieses Zitat von Ovid bringt es auf den Punkt: wie häufig haben wir alle doch schon versucht, eine lästige Gewohnheit loszuwerden – vergebens. Gewohnheiten sind Automatismen und deshalb sehr schwer zu ändern. Dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, hat auch sein Gutes. Denn ohne Gewohnheiten wäre unser Leben viel anstrengender. Aber leider kann unser Gehirn nicht zwischen guten und schlechten Angewohnheiten unterscheiden.

Ich wette, jede/r von Ihnen hat schon einmal versucht, eine schlechte Gewohnheit abzulegen. Sei es, weniger Schokolade zu essen, nicht mehr ein solcher Coach Potato zu sein oder eine andere lästige Gewohnheit, die Ihnen nicht gut tut. Aber häufig, ja sehr häufig gelingt uns das nicht. Von den beliebten Neujahrsvorsätzen werden nämlich nur 12 Prozent eingehalten. Wieso hat uns die Macht der Gewohnheit so stark im Griff, und wieso gelingt es uns nicht, sie zu besiegen? Was sind die Voraussetzungen, die es braucht, um diesbezüglich erfolgreich zu sein? Diesen spannenden Fragen widme ich mich in diesem und im nächstem Blog (Publikation am 11. September).

 

Gewohnheiten machen unser Leben einfacher

Gewohnheiten darf man nicht einfach verteufeln, denn sie können sehr hilfreich sein. Sie sind Automatismen, die ohne Willensanstrengung ablaufen – ohne dass wir überhaupt nachdenken müssen. Müssen Sie noch gross überlegen, wenn Sie die Zähne putzen oder den Weg ins Büro unter die Füsse oder die Räder nehmen? Nein, es fährt oder läuft einfach… Routinen entlasten uns vom Zwang, ständig Entscheidungen zu treffen. Der frühere US-Präsident Barack Obama trug deshalb nur graue oder blaue Anzüge und sagte dazu einmal gegenüber dem Magazin „Vanity Fair“: „Ich möchte nicht entscheiden, was ich anziehe oder esse. Ich muss zu viele andere Entscheidungen treffen.“ Durch Gewohnheiten belasten wir unseren Denkapparat also nicht, und dadurch verbrauchen wir viel weniger Energie. Sie lassen uns schneller und effizienter handeln.

Je nach Studie laufen 40-95 Prozent unserer Handlungen unbewusst ab. Diese Automatismen geben uns Sicherheit und Halt – wir fühlen uns wohl. Denn das Gehirn schüttet bei gewohnten Handlungen körpereigene Opiate aus – Glücksbotenstoffe, die eine Handlung bekräftigen. Wir werden also belohnt, wenn wir etwas gleich machen wie immer. Wir berauschen uns faktisch an unserer eigenen Zufriedenheit, was uns dazu bringt, diese Handlungen immer wieder vorzunehmen. Das kann sehr hilfreich sein. Nur leider kann das Gehirn nicht zwischen guten und schlechten Angewohnheiten unterscheiden. Und ohne dass wir es bemerken, schränken Gewohnheiten unsere Wahrnehmung ein. Sie machen uns unflexibel und starr. Wir sind gar nicht mehr offen für neue Möglichkeiten.

 

Raus aus der Gewohnheitsschlaufe

Damit Sie selber spüren, wie schwierig eine Änderung von einfachen Gewohnheiten ist, bitte ich Sie, eine simple Übung zu machen: Falten Sie Ihre Hände wie zum Gebet, die Finger ineinander verschränkt, die Daumen übereinander. Und jetzt wechseln Sie bitte nur mal die Position Ihrer Daumen, sodass der üblicherweise untere oben liegt. Wie fühlt sich das an? Unangenehm? Die US-Psychologin Dawna Markova hat herausgefunden, dass Menschen allein zwei Wochen brauchen, um sich nur an eine solch einfache neue Haltung zu gewöhnen. Bis dann schreit das Hirn: „Alarm, da stimmt was nicht!“ Sie können sich also vorstellen, wie lange es dauert, bis eine etwas komplexere Gewohnheit abgelegt resp. verändert ist.

Damit wir eine lästige Gewohnheit loswerden können, muss man zuerst wissen, wie der unbewusste Automatismus überhaupt funktioniert. Das Wichtigste ist: es gibt einen fixen Gewohnheits-Kreislauf: Auslöser → Handlung → Belohnung → Routine und wieder von vorne. Das Gehirn reagiert auf Auslösereize und sorgt dafür, dass gewohnheitsmässiges Handeln in Gang gesetzt wird. Mit dieser Handlung stillen wir ein Verlangen und erhalten danach eine Belohnung.

 

Schokolade=Entspannung

Wenn Sie also die Erfahrung gemacht haben, dass Schokolade Sie entspannt, ist das in Ihrem Gehirn gespeichert, und wenn Sie sich abends entspannen möchten, denkt das Hirn automatisch: Schokolade! Und schon greifen Sie danach (vor allem, wenn Sie wirklich greifbar ist in Ihrer Küche…), und danach erhalten Sie die Belohnung Entspannung. Wenn Sie dies mehrfach so wiederholt haben, reichen ein Auslösereiz und das Verlangen nach Belohnung, um die Handlung fast zwangsläufig in Gang zu setzen. Und es erfordert sehr viel Kraft, auf die gewohnten Reize anders als üblich zu reagieren.

Jeder Gedanke und jede Erfahrung bewirkt, dass sich unsere Hirnzellen verbinden. Und je öfter wir etwas wiederholen, desto mehr werden die Gehirnareale verdrahtet. Horace Mann, US-Politiker aus dem 19. Jahrhundert, sagte deshalb schon damals: „Die Gewohnheit ist ein Seil. Wir weben jeden Tag einen Faden, und schließlich können wir es nicht mehr zerreißen.“ Doch zum Glück hatte er nicht ganz Recht: das Seil lässt sich wieder zerreissen – „einfach“ mit sehr viel Bewusstsein, Disziplin und Durchhaltevermögen. Das Entscheidende dabei: man muss die schlechte Gewohnheit durch eine andere, bessere Gewohnheit verdrängen, die zur gleichen Belohnung führt – also über die Dauer ein neues Seil knüpfen. Wie das genau geht, erläutere ich Ihnen im nächsten Blog am 11. September.

Zum Schluss als Gedankenanregung bis dahin das Gedicht „Eine Autobiografie in fünf Kapiteln“ der amerikanischen Sängerin Portia Nelson (1920-2001):

 

Ich gehe die Strasse entlang.

Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.

Ich falle hinein.

Ich bin verloren… Ich bin ohne Hoffnung.

Es ist nicht meine Schuld.

Es dauert endlos, wieder herauszukommen.

 

Ich gehe dieselbe Strasse entlang.

Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.

Ich tue so, als sähe ich es nicht.

Ich falle wieder hinein.

Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.

Aber es ist nicht meine Schuld.

Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.

 

Ich gehe dieselbe Strasse entlang.

Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.

Ich sehe es.

Ich falle immer noch hinein … aus Gewohnheit.

Meine Augen sind offen.

Ich weiss, wo ich bin.

Es ist meine Schuld.

Ich komme sofort heraus.

 

Ich gehe dieselbe Strasse entlang.

Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.

Ich gehe darum herum.

 

Ich gehe eine andere Strasse.

 

©  Claudia Kraaz