AUS EINEM ELEFANTEN EINE MÜCKE MACHEN
Der Spruch „aus einer Mücke einen Elefanten machen“ ist Ihnen sicher ein Begriff. Wie schnell bauschen wir eine Kleinigkeit auf, sodass sie uns dann RIESIG vorkommt. Das muss nicht sein – oder noch besser: es lassen sich auch aus Elefanten wieder Mücken machen. Ich erkläre Ihnen heute, wieso wir Dingen eine Bedeutung zumessen, die sie objektiv gar nicht haben, und wie wir sie wieder klein machen können.
Was heisst denn der Spruch genau? Wenn man eine Definition dafür sucht, findet man z.B.: eine Kleinigkeit stark aufbauschen und ihr mehr Bedeutung geben, als ihr eigentlich zukommt – eine Kleinigkeit schlimmer darstellen, als sie wirklich ist – dramatisieren – eine Sache die ihr nicht zukommende Wichtigkeit zuschreiben usw.
Als ausgebildete Historikerin (lang ist’s her…) darf ich mir heute ausnahmsweise einen kurzen historischen Exkurs leisten: Der Spruch „aus einer Mücke einen Elefanten machen“ existiert schon sehr lange. Er stammt aus der griechischen Antike (8. bis 2. Jahrhundert vor Christus). Die Römer brauchten andere Vergleiche, um dasselbe auszudrücken: „Der Berg kreist und gebärt eine Maus“ (Horaz, 65-8 v.Chr.) oder „aus einem Bach gewaltige Ströme machen“ (Ovid, 43 v.Chr. bis 17 n.Chr). Im Englischen heisst es „to make a mountain out of a molehill“ (aus einem Maulwurfshügel einen Berg machen). Es geht bei diesen Umschreibungen also immer um das Ausdrücken eines extremen Kontrasts.
Abgespeicherte Verletzung
Wieso tun wir denn etwas, was uns effektiv schadet? Um dies zu begreifen, muss man wissen, wie unsere Psyche funktioniert. Wir alle haben gewisse psychische Grundbedürfnisse wie Wertschätzung, Beachtung, Respekt, Geborgenheit, Bindung, Sicherheit, Selbstgestaltung, Kontrolle, Gerechtigkeit usw. Wenn diese einmal verletzt worden sind, ist dies tief in uns abgespeichert. Eine Winzigkeit kann uns dann unbewusst an das Gefühl von damals erinnern – an die Hilflosigkeit, den Schmerz, die Trauer, die Wut usw., die wir damals empfunden haben. Wir geben also aufgrund einer alten Verletztung einem aktuellen Ereignis, das objektiv gar nicht so schlimm ist, eine viel grössere Bedeutung – und machen es zu einem Elefanten.
Wie können wir nun diesen Elefanten wieder schrumpfen lassen? Zuerst, was gar nicht funktioniert: wenn mein Gegenüber die Sache runterspielen will und sagt: „Ist ja alles nicht so schlimm“ oder „fahr nicht gleich wegen einer Kleinigkeit aus der Haut“ oder ähnlich. Solche Bemerkungen lösen bei uns nur noch heftigere Emotionen aus. Wir sind gekränkt und ziehen uns zurück oder verteidigen uns heftig – geraten also in eine Negativspirale.
Den Elefanten ernst nehmen
Der deutsche Psychoanalytiker Ernst Hanisch empfiehlt eines: seinen Elefanten ernst zu nehmen. Versuchen Sie, herauszufinden, welches Problem tatsächlich hinter Ihrer Reaktion steht, indem Sie sich fragen: Wovor habe ich Angst? Auf was will mich meine Wut hinweisen? An was erinnert mich diese Situation? Die nachhaltigste Lösung ist nämlich, wenn man sich der Verletzung bewusst wird und sie dadurch mindestens wenigstens teilweise heilen kann. Hillary Clinton hat dazu einmal gesagt: „Nehmen Sie Kritik ernst – nicht persönlich. Wenn etwas Wahres oder Wertvolles dran ist, sehen Sie es als Chance und lernen Sie. Wenn nicht, kann es Ihnen sowieso egal sein.“
In der akuten Situation hilfreich ist, wenn man eine schnelle Reaktion verzögern kann, z.B. indem man vor dem Antworten ganz ruhig bis auf zehn zählt oder an ein vorher definiertes Anti-Wut-Wort denkt. Oder indem man einen Schritt zurück macht und zu überlegen versucht, was der Andere tatsächlich gemeint haben könnte, und ohne zornige Hintergedanken nachfragt. Denn wenn jemand A sagt, kommt bei Ihnen vielleicht B oder C an, da Sie das Gesagte an etwas erinnert oder Sie es mit etwas verbinden, das Ihr Gegenüber gar nicht gemeint hat. Und Sie müssen auch nicht immer darauf reagieren, wenn jemand Sie verletzt hat. Nichts sagen bringt manchmal mehr, als durch eine heftige Reaktion noch mehr Energie zu verbrauchen.
Was ist das Worst-Case-Szenario?
Hilfreich sind auch folgende Fragen an sich selber, wenn Sie starke negative Gefühle haben, sich Sorgen machen oder Sie etwas extrem stresst:
- Was könnte schlimmstenfalls passieren? Und wie wahrscheinlich ist, dass dieses Worst-Case-Szenario auch effektiv eintritt?
- Wie sieht die Situation in einer Woche resp. in einem Jahr aus? Ist sie dann immer noch so schlimm?
- Was kann ich (nicht jemand anders) tun, um die Situation zu verändern? Oder gilt es, sie einfach zu akzeptieren, weil ich sie gar nicht verändern kann? Das braucht weniger Energie, als sich für nichts zu ärgern.
Der bekannte deutsche Arzt und Komiker Eckart von Hirschhausen empfiehlt, sich nicht zu stark auf emotionale „Grossereignisse“ (wie er sie nennt) zu konzentrieren, sondern die vielen kleinen Glücksmomente zu schätzen, die man über den Tag erlebt. Genau dieses Ziel hat das Praktizieren von Dankbarkeit für das, was ich Gutes in meinem Leben habe (siehe Blog zu diesem Thema: https://stressandbalance.ch/2017/02/28/meine-visualisierte-dankbarkeit/). Dankbarkeit ist ein sehr einfaches und effizientes Mittel, wie man seine Gedanken lenken kann und damit den Shift vom Negativen zum Positiven schafft. Wir bestimmen also selbst, ob aus einem Elefanten wieder eine Mücke wird.
Zum Schluss noch ein paar spannende Zitate zum Thema:
- „Grübeln macht aus Mücken Elefanten.“
- „Die Dinge sind nie so, wie sie sind. Sie sind immer das, was man aus ihnen macht.“
- „Nichts ändert sich, bis man sich selbst ändert. Und dann ändert sich alles.“
Wer sich fundierter mit dem Thema auseinander setzen möchte, dem empfehle ich das sehr lesenswerte und praktisch geschriebene Buch „Ab heute kränkt mich niemand mehr – 101 Power Strategien, um Zurückweisung und Kritik nicht mehr persönlich zu nehmen“ der deutschen Psychotherapeutin Doris Wolf. Viel Erfolg in der Umsetzung!
© Claudia Kraaz